Kommission akzeptiert Verpflichtungsangebote von Amazon zu E-Books

Die Europäische Kommission hat einen Beschluss angenommen, der die von Amazon angebotenen Verpflichtungen für rechtsverbindlich erklärt. Mit den Verpflichtungen werden die vorläufigen wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Kommission hinsichtlich einer Reihe von Klauseln in Vertriebsverträgen zwischen Amazon und Verlegern von E-Books in Europa ausgeräumt.

Die für Wettbewerbspolitik zuständige Kommissarin Margrethe Vestager erklärte hierzu: „Der heutige Beschluss öffnet Verlagen und Wettbewerbern den Weg innovative Dienstleistungen für E-Books zu entwickelnd – für mehr Auswahl und Wettbewerb auf dem E-Book-Markt zum Vorteil der europäischen Verbraucher. Amazon hat in seinen Vereinbarungen mit Verlagen bestimmte Klauseln verwendet, die andere E-Book-Plattformen dabei eingeschränkt haben könnten, Innovationen voranzubringen und Amazon im Wettbewerb wirksam die Stirn zu bieten. Wir wollen einen fairen Wettbewerb auf dem europäischen Markt für E-Books gewährleisten, dessen Volumen sich auf mehr als 1 Milliarde Euro beläuft.“

Mit dem heutigen Beschluss darf Amazon die betreffenden Klauseln nicht mehr durchsetzen oder in Vereinbarungen mit Verlagen verwenden. Dies wird zu einem fairen Wettbewerb in der Plattformwirtschaft beitragen.

Die Kommission leitete im Juni 2015 eine Untersuchung ein, da sie Bedenken hinsichtlich bestimmter Klauseln in E-Book-Vertriebsverträgen von Amazon hatte, die möglicherweise gegen das EU-Kartellrecht verstoßen. Aufgrund dieser Klauseln (auch „Meistbegünstigungsklauseln“ genannt) müssen Verlage Amazon informieren, wenn sie dessen Wettbewerbern günstigere oder andere Konditionen bieten und/oder Amazon gleiche (oder bessere) Bedingungen einräumen als die, die den Wettbewerbern von Amazon geboten werden. Die Klauseln betrafen nicht nur die Preisgestaltung, sondern auch viele Aspekte, die ein Wettbewerber nutzen kann, um sich von Amazon abzuheben, etwa andere Geschäfts- oder Vertriebsmodelle, innovative E-Books oder Sonderangebote.

Die Kommission vertrat die Auffassung, dass es anderen E-Book-Händlern durch derartige Klauseln erschwert wird, sich im Wettbewerb mit Amazon zu behaupten, da dadurch die Möglichkeiten und Anreize der Verleger und Wettbewerber verringert werden, neue und innovative E-Books und andere Vertriebsdienstleistungen zu entwickeln. Die Klauseln könnten insgesamt zu weniger Wettbewerb auf dem E-Book-Markt im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) und damit zu einer geringeren Auswahl, weniger Innovation und höheren Preisen für die Verbraucher geführt haben.

Amazon hat versucht, die Bedenken der Kommission auszuräumen, indem es angeboten hat, die in seinen laufenden Verträgen enthaltenen einschlägigen Klauseln nicht mehr durchzusetzen oder zu ändern und solche Klauseln nicht in künftige Vereinbarungen mit Verlagen aufzunehmen. In Reaktion auf Rückmeldungen von betroffenen Marktteilnehmern über die Eignung der von Amazon ursprünglich angebotenen Verpflichtungen hatte das Unternehmen seinen Vorschlag überarbeitet.

Die Kommission ist heute zu dem Schluss gekommen, dass die geänderte endgültige Fassung der Verpflichtungen eine zeitnahe, wirksame und umfassende Lösung für die festgestellten wettbewerbsrechtlichen Probleme bietet. Die Verpflichtungen werden dazu beitragen, dass Innovationen von Verlagen und anderen Dritten im Bereich E-Books auch anderen Unternehmen als Amazon zugute kommen und einen wirksamen Wettbewerb zum Nutzen der Verbraucher gewährleisten.

Konkret hat Amazon folgende Verpflichtungen angeboten:

Amazon setzt (i) keine Klauseln durch, die Verlage verpflichten, Amazon vergleichbare preisliche und nichtpreisliche Konditionen anzubieten wie jene, die den Wettbewerbern von Amazon angeboten werden, und (ii) keine Klauseln durch, die Verlage verpflichten, Amazon über solche Konditionen zu informieren. Von den Verpflichtungen betroffen sind vor allem die Bedingungen im Zusammenhang mit alternativen/neuen Geschäftsmodellen Veröffentlichungsdatum und E-Book-Katalog, Merkmalen von E-Books, Sonderangeboten, Agenturpreis, Agenturprovision und Großhandelspreis.

Amazon ermöglicht es Verlagen, E-Book-Verträge zu beenden, die eine Klausel enthalten, die Preisnachlässe für E-Books mit dem Einzelhandelspreis eines bestimmten E-Books auf einer konkurrierenden Plattform verbindet („Discount Pool Provision“). Verlage haben das Recht, diese Verträge innerhalb einer Frist von 120 Tagen schriftlich zu kündigen.

Amazon nimmt in neue E-Book-Verträge mit Verlagen keine der obengenannten Klauseln, einschließlich „Discount Pool Provision“, auf.

Die Verpflichtungen gelten für einen Zeitraum von fünf Jahren und beziehen sich auf sämtliche E-Books in allen Sprachen, die von Amazon im EWR vertrieben werden.

Sollte Amazon sich nicht an die Verpflichtungen halten, könnte die Kommission eine Geldbuße in Höhe von bis zu 10 % des Jahresgesamtumsatzes des Unternehmens verhängen, ohne einen Verstoß gegen die EU-Wettbewerbsvorschriften nachweisen zu müssen.

Hintergrund

Artikel 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) und Artikel 54 des EWR-Abkommens verbieten den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung, mit dem der Handel beeinträchtigt und der Wettbewerb verhindert oder eingeschränkt werden könnte.

Die Kommission hat im Juni 2015 ein förmliches Kartellverfahren zur Untersuchung der Praktiken von Amazon eingeleitet. Die Kommission vertrat die vorläufige Auffassung, dass Amazon möglicherweise seine beherrschende Stellung auf den Märkten für den Einzelhandelsvertrieb von E-Books in englischer und deutscher Sprache an Verbraucher missbraucht hat, indem im Rahmen seiner E-Book-Vereinbarungen mit Verlagen paritätische Bedingungen verlangt wurden. Die Kommission gab betroffenen Marktteilnehmern die Möglichkeit, zu einer früheren Fassung der Verpflichtungen Stellung zu nehmen, die Amazon am 24. Januar 2017 angeboten hatte.

Nach Artikel 9 der EU-Kartellverordnung (Verordnung 1/2003) kann die Kommission ein Kartellverfahren beenden, indem sie die von Unternehmen angebotenen Verpflichtungen akzeptiert. Mit einem solchen Beschluss wird nicht festgestellt, ob die EU-Kartellvorschriften verletzt worden sind, sondern die Unternehmen werden rechtlich zur Einhaltung ihrer Zusagen verpflichtet. Einen Policy Brief zu Verpflichtungsbeschlüssen nach Artikel 9 finden Sie hier.

Weitere Informationen wie auch die vollständige Fassung der Verpflichtungen finden Sie auf der Website der GD Wettbewerb im öffentlich zugänglichen Register unter der Nummer 40153.

Quelle: EU-Kommission, Pressemitteilung vom 04.05.2017